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Ängste und Depressionen in der Hochsensibilität

Selbst geschrieben und selbst erdacht :-))

Ein Fass ohne Boden

von Monika Richrath

6. Februar 2012

Als neulich die Anregung (danke Melanie!) herein kam, Newcomern eindeutig zu vermitteln, dass Hochsensibilität keine Krankheit ist, stürmte erst einmal eine ganze Kaskade widerstreitender Gefühle auf mich ein. Allen voran so etwas wie Enttäuschung über mich selbst, weil ich dieses „Basic“ in meinem Blog-Überschwang einfach vergessen hatte. Nachdem sich die Emotionen wieder geglättet haben, bin ich nachdenklich geworden und in mich gegangen: Wie war das eigentlich früher bei mir?

Ich erinnerte mich an Dinge, die ich lange verdrängt hatte. Mir fiel ein, dass ich eine ganze Zeitlang die Furcht gehegt habe, ich könnte an einer sehr schlimmen Krankheit leiden, so etwas wie Krebs zum Beispiel. (Ich fühlte mich immer so schlecht und bei Arztbesuchen war nichts zu finden.) Sehr deutlich empfand ich, dass ich nicht in Ordnung war, ohne dass ich es genau hätte benennen können, was dieses „nicht in Ordnung“ bedeutete. Mir schien aber, ich sollte „anders“ sein, mehr so wie andere. Ich hatte Angst vor anderen Kindern und mir war schmerzlich bewusst, dass andere Kinder keine Angst vor mir hatten. Am allermeisten „nicht in Ordnung“ war, dass ich es einfach nicht ertrug, anderen Leuten ins Gesicht zu sehen. Und ich mochte auch nicht, dass andere mich ansahen. Das war einfach nicht normal, ein furchtbarer Makel.

Am meisten Angst hatte ich vor meinen eigenen Gefühlen. Sie kamen wie eine Naturgewalt über mich und schienen mich vollkommen zu verschlingen. Ich empfand mich selbst einerseits als vollkommen haltlos, andererseits als Fass ohne Boden, in das alles tief, tief hinein fiel – und sich irgendwo ablagerte, ohne dass ich einen Zugriff darauf hatte. Schon früh begann ich deshalb, meine Wahrnehmung in Frage zu stellen, meine Gefühle zu ignorieren und die Bedürfnisse anderer immer wichtiger zu nehmen als meine eigenen. Das tat ich so lange und so konsequent bis ich tatsächlich krank wurde und eine Fibromyalgie bekam – eine typische Krankheit für HSP wie es scheint – und damit die Aufgabe, mich wieder meinen eigenen Gefühlen zu nähern, sie wahrzunehmen und mich entsprechend zu verhalten. Eine riesige Aufgabe – aber nicht unüberwindlich.

Heute schaue ich auf das Mädchen von damals zurück und habe sehr, sehr viel Mitleid mit ihr, weil sie es so schwer hatte. Sie wusste nicht, dass Hochsensibilität oder Hochsensitivität keine Krankheit ist. Sie wusste nicht, dass Hochsensibilität einfach nur eine besondere Disposition des Nervensystems ist, die dazu führt, dass die Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen feiner und genauer ist als die weniger sensibler Menschen. (Wussten Sie, dass schon Pavlov und Jung glaubten, dass hochsensible Menschen ein genetisch unterschiedliches Nervensystem besitzen?) Sie wusste nicht, dass ihrem Körper weniger Energie zur Verfügung steht als anderen Menschen. Sie wusste vor allen Dingen nicht, dass es für manche Menschen schlicht zu aufregend sein kann, anderen Menschen ins Gesicht zu sehen. Sie wusste nicht, wie wichtig es für sie ist, ihre Wahrnehmung anzuerkennen und zu schätzen – und sie wusste ebenfalls nicht, welchen Stellenwert sie Stressmanagement in ihrem Leben einräumen sollte. Genau genommen ist Stressmanagement das A und O. Meine bevorzugte Methode ist die Klopfakupressur(früher EFT, Gründer Gary Craig), eine Meridian-Klopftechnik, die die Erlebnisverarbeitung im Gehirn positiv beeinflusst. Aber natürlich ist jede andere Methode, die Sie runterbringt und Ihnen weiter hilft, eine gute Methode.

Wenn ich die Brücke schlage von dem Mädchen, das ich einst war, zu der Frau, die ich heute bin, dann kann ich sagen, dass ich heute (dank der intensiven Auseinandersetzung mit meiner Hochsensibilität) kein Fass ohne Boden mehr bin. Ich bin mir selber nicht mehr ausgeliefert. Ich bin alles andere als haltlos. Im Gegenteil: Ich stehe fest mit beiden Füßen auf der Erde und fühle mich als Teil von ihr. Und ich habe die Gewissheit: Ich bin gut so. Ich soll genau so sein -und ich bin Teil einer riesengroßen hochsensiblen Gemeinschaft – und das fühlt sich einfach wundervoll an. Falls Sie gerade dazu gestoßen sind: WILLKOMMEN!

Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag!
Herzliche Grüße,
Ihre Monika Richrath

Über mich

Monika Richrath

Ich bin Monika Richrath, Mentorin und Coach für EFT (Klopfakupressur). Seit 2012 schreibe ich hier sehr PERSÖNLICH über die Themen, Hochsensibilität, Gesundheit, Psychologie, EFT und (Entwicklungs)Trauma.

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5 Kommentare

  1. Veronika Behlau

    Der Beitrag hat mich zum Weinen gebracht, weil ich manchmal, nicht immer, das Gefühl habe nicht in Ordnung zu sein und mich vor anderen Menschen immer noch rechtfertige. Ich suche immer noch einen Platz für mich in diesem Leben. Gestern habe ich noch gehört Du musst schneller werden und das hat mir sehr weh getan weil es meine tiefsten Ängste angesprochen hat, nie zu genügen.

    Antworten
  2. Melanie

    Hallo liebe Monika,

    es freut mich dass meine Gedanken dich in positiven Sinnen angeregt hat. Es ist ein ganz tolle Gabe was wir haben, das einzige was man lernen sollte ist damit umzugehen. So wie du den letzten Artikel geschrieben hast, teilweise sehr Emotional und doch differenziert finde ich ganz klasse. Ich arbeite genau so. Das heißt wenn es etwas Emotionales gibt das lasse ich meinen Gefühlen freien lauf und denke später darüber nach und finde dann die Lösung. Ich kann mich auch voll und ganz damit identifizieren wenn du sagst “ ich kann den Leuten nicht ins Gesicht sehen“, weil: wenn ich das Zulasse, sehe ich eben mehr als andere. Es liegt also alles bei uns selbst darüber zu entscheiden.
    Erst neulich sprach ich mit einer Bekannten über ein Erlebniss aus meiner Kindheit. Ich war im Urlaub mit den Großeltern und etwa so 6 Jahre alt. Ich muß dazu sagen, das ich wirklich nichts aus mein Gehirn rausgebe, selbst Gerüche bleiben haften.
    Wie es so üblich ist im Hotel, trifft man sich zum Essen in einen großen Raum. Ich habe mich geweigert in den Raum zu essen, weil es nach meinen Empfindungen sehr stark gerochen hat. Es hieß immer nur, reiß dich zusammen. Das ging aber nicht und so habe ich komplett zu jeden Besuch in diesen Raum erstmal mein Mageninhalt auf den Tisch gelegt, manchmal hatte ich es noch auf die Toilette geschafft 😉
    Ich kann mich daran sehr gut erinnern, weil ich immer dachte es liegt an mir. Ich weiß auch nicht mehr was meine verzweifelten Großeltern damals sich haben einfallen lassen um den Speiseraum zu umgehen.
    Aber eins weiß ich ganz genau, wenn man versucht sich anzupassen, macht das ein Krank.

    LG Melanie

    Antworten
  3. Philipp Parrer-Scheiner

    Guten Tag,

    Ein sehr guter Beitrag, der wirklich schön die Chancen dieser vermeintlichen „Einschränkung“ aufzeigt:
    Die kritische Betrachtung der eigenen Wahrnehmung kann ja auch zur Bestätigung der erhaltenen Eindrücke führen. Dadurch ist es möglich, früher als der Durchschnitt auf Veränderungen zu reagieren; der Fluch der Informationsflut wandelt sich so in einen Segen um.

    Mit meinem Anders-Sein gestehe ich auch jedem Mensch sein Anders-Sein zu…

    Beste Grüße

    Philipp Parrer-Scheiner

    Antworten
  4. Naturkind

    Danke für diesen Beitrag. Ich bin hochsensibel und leide manchmal darunter. Insbesondere, wenn ich so sein möchte, wie andere und Schritt halten möchte. Ich pendele ständig zwischen Ekstase und Erschöpfung. Mein Anderssein wird meist von anderen bemerkt. Das ist mir unangenehm. Mal eine andere Frage: Kann ein Hochsensibler traumatisiert sein?

    Antworten
    • Hallo und vielen Dank. Ja, natürlich kann ein Hochsensibler traumatisiert sein, vermutlich haben hochsensible Menschen es sogar schwerer Traumata wieder loszulassen, weil sie Reize schneller aufnehmen, gründlicher verarbeiten und schwerer wieder loslassen … Herzliche Grüße, Monika Richrath

      Antworten

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