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Jean Christoph von oertzen

Selbst geschrieben und selbst erdacht :-))

Hochsensible und ihre Berufung: Jean-Christoph von Oertzen

von Monika Richrath

12. März 2017

Pfeil und Bogen als Spiegel unseres Inneren nutzen

Jean-Christoph Alexander von Oertzen lebt mit seiner Familie südlich von München und ist seit über 10 Jahren selbst Bogenschütze. Seit rund 5 Jahren ist der Bogensport auch sein Beruf und seine Berufung. Seither hat er schon über 1000 Menschen auf ihrem Weg mit Pfeil und Bogen als Trainer begleitet. In seinem Blog unter bogenblog.de schreibt er regelmäßig über die körperlichen, mentalen und materiellen Aspekte der Balanced-Mind-Methode zum Bogenschießen.

Jean-Christoph, du bist mit einem ganz besonderen Angebot unterwegs …

Ja, das stimmt wohl. Ich biete hochsensiblen Menschen eine besondere Coaching-Methode an, bei der wir Pfeil und Bogen als Spiegel unseres Inneren nutzen. Ich habe das Balanced-Mind-Bogenschießen genannt und ein Buch dazu veröffentlicht. Das funktioniert als Methode hervorragend, da der Bogen uns ganz klar zeigt, ob wir in unserer Mitte sind, ob wir in unserer Kraft sind, ob wir unserer innere Stimme hören und ob wir uns selbst vertrauen. Alles Punkte, bei denen hochsensible Menschen sich oft eine Anleitung zur Selbsthilfe und Unterstützung wünschen.

Das klingt sehr spannend. Wie bist du darauf gekommen?

Vor 5 Jahren habe ich mich mit einem Geschäft für Bogensportartikel und meinen Kursen im traditionellen Bogenschießen selbstständig gemacht. Ich durfte über 1000 Menschen das Bogenschießen näher bringen und in einen Kursen ist mir aufgefallen, dass rund jeder fünfte Teilnehmer irgendwie anders reagiert hat. Alle Teilnehmer hatten Spaß und Freude, doch diese 20% waren Feuer und Flamme, völlig begeistert und haben viel mehr im Schießen mit Pfeil und Bogen für sich entdeckt, als die anderen. So ging es mir damals auch, als ich selbst mit dem Bogenschießen begonnen habe.

Meine Frau arbeitet schon viele Jahre sehr erfolgreich im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung, doch als sie mir zum ersten Mal von “Hochsensibilität” erzählt hat, konnte ich damit nichts anfangen. Meine Vorurteile, die ich mit diesem Begriff assoziiert habe, haben einfach nicht zu meinem Selbstbild als Mann gepasst.

2016 jc quadr 1000pxErst 2016 bin ich per Zufall nochmal auf das Thema gekommen und war zum Glück so offen, dass ich mich doch intensiver damit beschäftigt habe. Und plötzlich war alles anders! Die Erkenntnis einfach nur hochsensibel zu sein und kein Alien, war die reinste Offenbarung für mich. Plötzlich hat alles einen Sinn gemacht. Hört sich unglaublich an, war aber für mich so.

Daraufhin war mir auch klar, warum diese 20% meiner Teilnehmer in den Kursen so anders reagiert haben. Gemeinsamkeiten wurden für mich erkennbar und so entwickelte ich die Balanced-Mind-Methode zum Bogenschießen, die genau auf die Bedürfnisse von hochsensiblen Menschen zugeschnitten ist.

Mir hilft sie jeden Tag, mit meiner Veranlagung positiv umzugehen und sie als Geschenk zu sehen. Das möchte ich auch anderen Menschen zeigen, denn ich habe das Gefühl, dass die meisten HSP ihre Veranlagung eher als Last empfinden.

Oh ja, dieses Gefühl habe ich auch … könntest du noch ein bisschen genauer erklären, was du empfindest, wenn du den Pfeil anlegst und dein Ziel anvisierst?

Das ist eine spannende Frage. Beim Balanced-Mind-Bogenschießen tritt das Ziel und das treffen wollen in den Hintergrund. Es geht um den Prozess, den Fokus auf sich und das erleben des “Wow-Effekt” zu richten. Es gibt beim Bogenschießen nämlich das unglaubliche Phänomen, dass du schon genau weißt, also ganz sicher bist, dass du treffen wirst, bevor du überhaupt losgelassen hast. Und wenn der Pfeil dann tatsächlich genau an der Stelle steckt, auf die du ihn gerichtet hast, dann kommt meist ein “Wow!” aus dem Mund des Schützen. Diesen Moment erreichen wir, wenn Material, Bewegung und Konzentration in optimaler Balance zueinander sind. Daher auch der Name Balanced-Mind-Bogenschießen.

Und um diese Balance zu erfahren, muss ich den Fokus nach innen richten. Weg vom Ziel, hin zu mir. Wie geht es mir? Wie bewege ich mich? Bin ich in meiner Kraft? Bin ich im hier und jetzt? Nur dann werde ich den Wow-Effekt erreichen. Der Bogen als Spiegel wird mir eine absolut klar und präzise Antwort auf diese Fragen geben.

Und diese Fragen beschäftigen mich ja auch im Alltag. Gerade als hochsensible Menschen verlieren wir uns durch unsere Empathie leicht in den Gefühlen der anderen. Doch wo sind wir? Was sind unsere eigenen Gefühle und was spüre ich im Moment genau? Durch das Bogenschießen trainiere ich mich, diese Fragen für mich beantworten zu können, mich zu spüren, meine innere Stimme zu hören. Es geht also um Abgrenzung und Selbst-Wahrnehmung als Voraussetzung für ein klares Selbst-Bewusstsein.

Wow, wahnsinnig spannend, lieber Jean-Christoph! Braucht man dafür Kraft?

Die geistige Kraft trainieren wir ja damit, aber ich denke, du meinst wahrscheinlich Körperkraft.

Nein, im Gegensatz zu anderen Arten des Bogenschießens kommt es beim Balanced-Mind-Bogenschießen weder auf Reichweite noch auf Durchschlagskraft an, sondern auf die Möglichkeit, sich selbst ganz genau zu spüren. Daher empfehle ich ganz bewusst Bögen mit einem geringen Zuggewicht zu verwenden, also einem geringen Widerstand, den man beim Ausziehen der Sehen merkt. Denn wenn unser Geist nur damit beschäftigt ist, ob wir den Bogen halten können oder einfach loslassen müssen, dann fehlen uns diese geistigen Ressourcen um sich selbst wahrzunehmen und mental zu entspannen.

Das macht mir wirklich Lust, jetzt sofort Bogenschießen auszuprobieren. Ist Bogenschießen etwas, was hauptsächlich Männer anspricht?

Bogenschießen ist für jeden etwas. Egal ob alt oder jung, Mann oder Frau, mit dem richtigen Bogen kann jeder Spaß daran haben.

archery 782503 1920Das Bogenschießen selbst kann sogar die ganze innere Familie ansprechen und unterstützen, also den inneren Mann, die innere Frau und das innere Kind. Anteile unserer Persönlichkeit, die wir alle in uns tragen, unabhängig von unserem biologischen Geschlecht.

Mein Balanced-Mind-Konzept richtet sich an hochsensible Menschen und mit diesem Thema beschäftigen sich im Moment scheinbar sogar noch mehr Frauen als Männer. Ich denke, Frauen fällt es sogar leichter, eine Tätigkeit um ihrer selbst willen zu tun. Männer brauchen eher ein klares Ziel um sich zum handeln zu motivieren oder einen höheren Leidensdruck.
Ich weiß, dass viele Männer unter ihrer Hochsensibilität leiden, weil sie irgendwie nicht ins allgemeine Rollenbild eines Mannes passen wollen und um ihre Hochsensibilität noch nicht wissen. So fühlen sie sich oft einfach “komisch” oder als “Aussenseiter”.  Da es mir auch jahrelang so gegangen ist, ist es mir so ein großes Anliegen über Hochsensibilität aufzuklären und möglichst vielen Männern diese Erleichterung, ja schon Offenbarung zu ermöglichen, die ich selbst empfunden habe, als mir klar wurde, dass ich nicht “anders”, sondern einfach nur hochsensibel bin.

Ja, ich finde es ehrlich gesagt, total schade, dass so wenig hochsensible Männer öffentlich in Erscheinung treten – ich bin davon überzeugt, dass sie einiges bewegen könnten in der Gesellschaft, wenn sie in größerem Umfang sichtbarer würden. Wie ist es denn mit dir, hast du Männern in deinem Umfeld von deiner Hochsensibilität erzählt und, wenn ja, wie haben sie reagiert?

Ich gehe sehr offensiv mit meiner Hochsensibilität um. Ich möchte anderen Männern Mut machen, sich mit dem Thema auseinander zu setzen und es nicht – wie ich es gemacht habe – auf Grund des ungünstigen Namens einfach von sich weg zu schieben.
Das Verständnis, was Hochsensibilität wirklich bedeutet und was nicht, finde ich alleine schon extrem hilfreich.

Allerdings erlebe ich da auch komische Situationen. Zum Beispiel letztens, bei einem Networking-Event, als sich alle kurz vorstellen sollten. Als ich mich als “Coach für hochsensible Menschen” vorgestellt habe, herrschte plötzlich so ein betretenes Schweigen. Beim anschließenden small talk meinte einer doch glatt zu mir: “sie sind doch der mit den Selbstmord-gefährdeten”. Das hat mir wieder sehr klar gezeigt, wie viel Aufklärungsarbeit hier noch zu leisten ist, besonders im Business-Kontext.

Puh, das ist ja krass. Ein sehr gutes Beispiel dafür, wie viel Aufklärungsarbeit noch notwendig ist. Aber da fällt mir noch eine Frage ein: Du bietest ja auch Bogenschießen für hochsensible Kinder an, die vermutlich hauptsächlich von Erwachsenen geschickt werden. Wissen die Kinder um die eigene Hochsensibilität oder redest du mit ihnen darüber? Oder geht es darum, hauptsächlich bestimmte Ressourcen zu stärken, ohne darüber zu reden?

Die Kinderkurse, die ich in der Vergangenheit gegeben habe, hatten noch nicht die Ausrichtung auf hochsensible Kinder. Im Moment biete ich das Balanced-Mind-Bogenschießen auch nur für Erwachsene an, da ein sehr wichtiger Bestandteil die Selbstreflexion ist. Ich glaube, Kinder – auch hochsensible Kinder – erfahren sich mehr über Grenzen und Erfahrungen als über Selbstreflexion. Aber um so wichtiger ist es, dass die Eltern stabil und in Ihrer Kraft sind. Man geht ja davon aus, dass Hochsensibilität erblich ist, also arbeite ich gerne mit den Eltern, damit sie ihre hochsensiblen Kinder liebe- und verständnisvoll begleiten können. Also doch eine Form der indirekte Ressourcen-Arbeit.

Auch für Jugendliche kann das Balanced-Mind-Bogenschießen sehr hilfreich sein. Gerade in der manchmal schwierigen Phase der Pubertät, kann das regelmäßige Coaching eine zusätzliche Orientierung geben, wenn sich die individuelle Realität doch sehr grundlegend verändert. Hier ist es eher eine Frage der Motivation, denn wenn die Eltern es vorschlagen, dann ist es ja uncool.

Vielleicht biete ich in Zukunft auch spezielle Kurse für hochsensible Kinder an, wenn die Nachfrage besteht. Die Arbeit mit Kindern macht mir sehr viel Spaß und gerade die Naturverbindung und das Abenteuer mit Pfeil und Bogen sind hilfreiche Erfahrungen und wertvolle Ressourcen.

Vielen Dank, lieber Jean Christoph. Dann sind wir jetzt am Ende angelangt. Gibt es etwas, was du noch gerne sagen möchtest?

Danke allen, die das gelesen haben und sich mit “Hochsensibilität” beschäftigen. Jeder einzelne, der mehr über dieses Thema weiß und die Informationen teilt, ermöglicht es vielleicht auch jemandem, seine Hochsensibilität zu erkennen und sich noch mehr als ein wertvoller Teil unserer Gesellschaft zu fühlen.

Wenn du möchtest, hör doch auch mal in meinen Podcast “einfach hochsensibel – der Podcast mit den Tipps, Tricks und Strategien für den Umgang mit deiner Hochsensibilität” rein. Du findest ihr unter http://bogenblog.de/podcast

Und wenn du mehr über das Balanced-Mind-Bogenschießen für hochsensible Menschen wissen möchtest, dann findest du unter http://bogenblog.de/bma weitere Informationen und den Link zu meinem Buch.

Ganz herzlich möchte ich mich bei dir, Monika, für dieses Interview bedanken. Du hast mir spannende Fragen gestellt und ich freue mich schon darauf, dich mal für meinen Podcast zu interviewen.

Danke dir, lieber Jean-Christoph! Ich freue mich schon auf das Interview mit dir!

Links:

Bogenblog                 http://bogenblog.de

Balanced-Mind-Bogenschießen        http://bogenblog.de/bma

Podcast                 http://bogenblog.de/podcast

Über mich

Monika Richrath

Ich bin Monika Richrath, Mentorin und Coach für EFT (Klopfakupressur). Seit 2012 schreibe ich hier sehr PERSÖNLICH über die Themen, Hochsensibilität, Gesundheit, Psychologie, EFT und (Entwicklungs)Trauma.

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1 Kommentar

  1. Moritz

    Super Interview, vielen Dank für Deine Arbeit

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