Wie ich meine Seelenwünsche entdeckt habe
Noch vor wenigen Jahren wäre ich überhaupt nicht auf die Idee gekommen, mich mit meiner Seele zu beschäftigen. Erst recht nicht mit ihren Bedürfnissen. Das hatte für mich einen abgehobenen und esoterischen Beigeschmack, damit wollte ich lieber nichts zu tun haben. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es vielen hochsensiblen Menschen ähnlich geht, weil viele von uns sehr kopfgesteuert sind und sich nur auf „Beweise“ verlassen (am besten auf solche, die von der Wissenschaft erbracht werden).
Für mich hat sich in den letzten Wochen viel verändert. Ganz besonders in Sachen Seelenbedürfnisse.
Als Kind hatte ich den innigen Wunsch zu zeichnen
und ich hatte meistens auch eine genaue Ahnung davon, wie das, was ich zeichnen wollte aussehen sollte. Leider sah es nie so aus. Meine Zeichnungen sahen eben wie Kinderzeichnungen aus. In meiner Parallelklasse, die mit uns zusammen Kunstunterricht hatte, gab es einen Jungen, der Wahnsinnsportraits zeichnen konnte. So, wie ich hätte gerne zeichnen wollen. Menschen. Menschen, die so aussahen wie wirkliche Menschen. In jeder Kunstunterrichtsstunde bin ich fast gestorben vor Stress, Bewunderung und Neid. Wahrscheinlich hat sich bei mir da auch der Glaubenssatz eingenistet, dass man Talent haben muss, um gut zeichnen zu können. Daran mangelte es mir ganz offensichtlich. Ich begrub diesen Wunsch und wandte mich anderen Dingen zu.
Ab und zu tauchte dieser Wunsch wieder auf
und ich erinnere mich daran, dass ich später noch verschiedene Zeichenversuche unternahm, aber mit anderen Objekten. Zum Beispiel habe ich im Rahmen eines Kurses für Kinder Statuen gezeichnet, Kapitelle in einer Kirche und Säulen und ein paar Jahre während eines Urlaubes auf Sylt ein paar Landschaftsaufnahmen von Fotos abgezeichnet. Ich fand sie selbst ganz gelungen, erinnere mich aber nicht mehr ob ich mich getraut habe, die letzteren überhaupt anderen Menschen zu zeigen. Danach ging unglaublich viel Zeit ins Land. Jahrzehnte über Jahrzehnte, in denen meine Beziehung zu Kunst hauptsächlich darin bestand, in Ausstellungen zu gehen und mir die Kunst anderer Menschen anzusehen. Und in all dieser langen Zeit ist in mir immer wieder der Wunsch aufgetaucht
Ich will Menschen zeichnen
sehr, sehr hartnäckig. Immer wieder fielen mir jene letzten Zeichnungen ein, die ich gemacht hatte und die mir selbst gefallen hatten. Vielleicht war ich gar nicht so talentlos wie ich glaubte? Vielleicht brauchte ich einfach nur Übung? Also kaufte ich mir ein dickes Buch darüber, wie man Menschen zeichnet und legte voller Enthusiasmus los. Schon bald musste ich aber feststellen, das es trotzdem immer noch nicht so einfach war. Das erste Bild gefiel mir. Alle anderen nicht. Ich war nicht in der Lage, meinen Zeichnungen einen Ausdruck zu verleihen, sie erstarrten in grässlichen Fratzen …
Entmutigt gab ich auf
– aber nur halbwegs. Vielleicht brauchte ich so etwas wie Unterricht? Hatte ich denn nicht neulich im Supermarkt auf dem schwarzen Brett eine Telefonnummer gesehen? Die hing da auch noch. Und ich trug sie ein volles halbes Jahr mit mir herum, weil es mir nicht sicher erschien, zu einer mir unbekannten Person nach Hause zu gehen. Dann lernte ich die Künstlerin Johanna Kinast auf einem Event persönlich kennen. Ich glaube auch, dass der Tod meiner Mutter im Februar 2016 eine Rolle gespielt hat. Mein Bedürfnis zu zeichnen wurde irgendwie immer dringender. Im November 2016 ging ich zum ersten Mal recht nervös zu meinem Kunstkurs, der sich für mich als ideal herausgestellt hat, weil er mir alle Freiheiten lässt. Ich entscheide selbst, was ich wie zeichne und nur, wenn ich nicht weiterkomme mit einer Sache, frage ich die Künstlerin um Rat. Im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt
Menschen zu zeichnen macht mich einfach glücklich.
Das ist für mich Auszeit pur. Ich als Mensch löse mich vollkommen auf im Prozess der Kreativität, tauche ab oder verbinde mich mit oben und das ist einfach herrlich. Meistens zeichne ich Portraits von Postkarten von Gemälden ab. Das ist ungemein spannend. Manchmal tauchen auf meinem Papier Menschen auf, von denen ich weiß, das ich sie von irgendwoher kenne oder die mir bekannt vorkommen. Das Buch ziehe ich übrigens nur noch dann und wann zu Rate. Wie sich zeigt, ist das Zeichnen auch eine Sache der Übung. vor zwei Wochen ist es mir zum ersten Mal gelungen, der Person auf meiner Zeichnung das gleiche Alter zu verleihen wie der Person meiner Vorlage. Yippieh! Die anderen Menschen in dem Kurs malen übrigens zum meistens Aquarelle. Daran habe ich mich auch einmal versucht, das hat mir auch Spaß gemacht, aber ich habe gemerkt, das ist es einfach nicht für mich. Diese sehr innige Verbindung nach irgendwohin hat sich nicht eingestellt. Natürlich wollte ich es auch probieren, weil ich mal wieder Schwierigkeiten damit hatte, anders zu sein als die anderen, aus dem Rahmen zu fallen. Hochsensibilität lässt grüßen. Ich habe dann aber ganz vernünftig mit mir gesprochen. Mein Wunsch ist es, Menschen zu zeichnen – und später mal (wenn ich von den Menschen die Nase voll habe), Landschaften. Das steht schon fest. Wenn ich in diesen Kurs gehe, dann um zu zeichnen. Sonst hat es keinen Zweck. Es ist übrigens gar nicht wichtig, dabei ob ich nun wirklich jede, jede Woche zu meinem Kurs gehe und eine Zeichnung mache oder nicht. Das wichtige ist es, langfristig dran zu bleiben, dafür zu sorgen, dass mein Wunsch einen Rahmen hat. Denn wenn ich es zuhause alleine machen möchte, mache ich es eben doch nicht. Das kennen Sie bestimmt selbst auch.
Warum ist das Zeichnen nun ein Seelenwunsch?
In den letzten Monaten war bei mir einiges los, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich ging es ganz schön hoch her. Durch die Arbeit mit meinen Klienten und Klientinnen und meine eigene Auseinandersetzung mit mir habe ich verstanden, dass
das wichtigste am Menschsein ist der Ausdruck unserer selbst.
Ok, das klingt jetzt ein bisschen gestelzt. Einfacher: Wir müssen einfach nach außen bringen, was in uns ist.
Das ist unsere Lebensaufgabe
oder zumindest ein Teil davon. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Wir müssen uns ausdrücken. Wenn wir das nicht tun, zum Beispiel unsere Gefühle nicht ausdrücken, werden wir krank oder entwickeln chronische Schmerzen usw. Es wäre natürlich auch eine ganz spannende Frage, ob sich Hochsensibilität in Seelenbedürfnissen ausdrückt, bzw. ob hochsensible Menschen besondere Seelenbedürfnisse haben? Was mich selbst angeht, arbeite ich gerade an einem neuen Buch zum Thema Schlafstörungen. Im Zuge meiner Recherchen habe ich dabei mein Leben zwar nur in wenigen Dingen, dafür aber ganz entscheidend verändert, so dass ich wieder einen besseren Blick auf meine eigenen Bedürfnisse habe und mir selbst wieder näher gekommen bin. Und so ist mir klar geworden, dass dieses innige Bedürfnis zeichnen zu wollen, ein Seelenbedürfnis sein muss, denn es begleitet mich schon fast mein ganzes Leben. Und dass auch meine Tanzlust ein Seelenbedürfnis ist, dem ich jetzt mehr und mehr wieder nachgehe. Und je mehr ich tanze, umso mehr Lust zum Tanzen habe ich und umso glücklicher bin ich. Genauso, wie ich immer mehr Lust zum Zeichnen habe, je mehr ich zeichne. Ich glaube übrigens,
Seelenbedürfnisse sind nur für einen selbst
wichtig. Ich denke, es ist gerade die Hingabe an die Selbstentfaltung, die uns so glücklich macht. Ganz ohne Stress. Wenn Sie nicht wissen, was Ihre Seelenbedürfnisse sein könnten, kann ich Ihnen nur empfehlen, sich Gedanken darüber zu machen, was Sie vielleicht schon als Kind geliebt, aber begraben haben. Es gibt ja den wunderschönen Spruch, dass man nie zu alt ist für eine glückliche Kindheit …
Welche Seelenbedürfnisse haben Sie? Gehen Sie Ihnen nach? Wie immer freue ich mich über Ihre Kommentare.
Herzliche Grüße,
Ihre Monika Richrath