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Ichbezogenheit kommt häufig bei Trauma vor

Selbst geschrieben und selbst erdacht :-))

Trauma in Liebesbeziehungen – Ichbezogenheit

von Monika Richrath

12. September 2021

Seit Monaten sitze ich in einer emotionalen Achterbahn. Nicht nur seit der Trennung im Mai, vor allen Dingen seit ich hier begonnen habe, mich mit den Zusammenhängen von Hochsensibilität, Entwicklungstrauma, Stress, Trauma und der Geschichte meiner eigenen Bindung zu beschäften. Nie weiß ich, was hinter der nächsten Biegung auf mich wartet.  Das Darüber-Schreiben, ursprünglich begonnen als Verarbeitungsprozess, ist längst zum

Auslöser weiterer Ereignisse

geworden. Quasi ein KATALYSATOR.

So habe ich mich nach meinem vorletzten Blogbeitrag, der sich mit der konkreten Auswirkung von desorganisierter Bindung (z. B. dem gleichzeitigen Vorhandensein von Angst und Liebe) in einer Beziehung auseinandergesetzt hat, durch einen Traum ein weiteres Puzzleteil gefunden.

Ich wusste nie so genau,

was eigentlich war mit mir und meiner Mutter,

außer, dass ich immer diesen Groll auf sie hatte und sie sich benahm, als hätte sie ein schlechtes Gewissen.

Durch den Traum wurde nach oben gespült, dass meine Mutter und ich auch diese desorganisierte Beziehung hatten. Dass ich oft Angst hatte, Dinge zu äußern, dass ich befürchtete, dass das, was ich sage, entweder gar nicht beachtet wird, oder einfach abgetan wird als vollkommen abwegig. (Mit meinem Vater hatte ich das übrigens auch). Mit meinen Geschwistern ist es übrigens ähnlich.

Vielleicht ist es manchmal nur eine leise Angst, aber wichtig ist doch, dass man dadurch in seinem Ausdruck gehemmt wird, nicht frei ist zu sagen, was man sagen möchte. Und leise Dinge können manchmal sehr laut sein, bzw. sehr tief wirken

Heute möchte ich mich gerne mit

Ichbezogenheit und Kontrolle

beschäftigen. Natürlich wie immer im Zusammenhang mit Hochsensibilität, Trauma und Entwicklungstrauma.

Die ganz spezielle Art von Ichbezogenheit, die durch Traumatisierung jedweder Art entsteht (und auch Teil einer Posttraumatischen Belastungsstörung ist) können viele von uns an ihren Eltern beobachten. Jedenfalls all jene aus meiner Generation, deren Eltern den Krieg noch als Kinder erlebt haben. Dass jemand einfach so stirbt, kommt heute ja kaum noch vor. Die meisten Eltern werden nach und nach zu Pflegefällen und werden häufig von ihren Kindern in irgendeiner Form betreut.

Falls Sie selbst gerade in dieser Lage sind, haben Sie vielleicht schon gemerkt, dass Ihre Eltern dabei total

auf sich selbst und ihre Bedürfnisse bezogen

sind und von Ihnen erwarten, dass Sie ihre Bedürfnisse erfüllen. Ihre Bedürfnisse scheinen dabei nie eine Rolle zu spielen.

Es ist ein sehr logisches Verhalten, dass Kinder, die die Erfahrung gemacht haben, dass sie keine Unterstützung bekommen, aufhören, Unterstützung zu erwarten und versuchen, alles für sich selbst zu regeln. Sie entwickeln dann eine Art von Ichbezogenheit, in der

nur die eigenen Belange wirklich zählen.

Meine Partnerin hat mir das immer vorgeworfen, in dem Sinn, dass ich nicht in der Lage bin, von meinen eigenen Zuständen abzusehen. Sie hatte sicherlich recht damit.

Ich denke, dass sie mir diesen Vorwurf häufig gemacht hat, weil sie sich mich eigentlich tröstlich und/oder mütterlich wünschte. Ich bin zwar sehr fürsorglich, aber mütterlich bin ich eben nicht. Das kenne ich gar nicht, es fehlt mir als Erfahrung vollkommen. Darum kann ich es auch nicht weitergeben, bzw. mich mütterlich verhalten.

Und auf ihre Art war X natürlich auch sehr ichbezogen. Nur anders. Als wir uns kennen lernten, war sie schon sehr lange Single, hatte es sich eingerichtet in einem Leben mit Tieren und wenig sozialen Kontakten – einen

sehr überaschaubaren Rahmen geschaffen,

der ihr Sicherheit bot. Und da platzte ich nun hinein mit meiner Neugier und vielfältigen Interessen und meinem Lebenshunger!

Es war relativ schnell klar, dass sie ihr Leben nicht ändern würde, bloß, weil ich da war. Zwar haben wir nie darüber gesprochen, aber es hing für mich immer unausgesprochen über uns – vermutlich, weil ich freiwillig mein ganzes Leben änderte, weil sie da war.

In gewisser Weise haben wir ja ganz WUNDERbar zueinander gepasst. Zumindest in dem Sinne, dass wir

jeweils als Entwicklungsbooster für die andere

fungierten. Es war uns beiden klar, dass wir durch die andere auf Schmerzpunkte in unserem Leben gestoßen wurden.

Ich habe mich schon nach relativ kurzer Zeit gefragt, ob ich das schaffen kann, mich in ihren engen Rahmen zu pressen? Ich erinnere mich, dass ich dies eine Zeitlang sehr klar sehen konnte, aber nicht in der Lage war, diesen Gedanken wirklich Raum zu geben. Denn dann hätte ich die Beziehung eigentlich sofort beenden müssen. Das war mir sicher irgendwo bewusst.

Gleichzeitig lief ja immer noch dieses unglaubliche

Verlustangstprogramm

in mir ab. Das viel älter und mächtiger war. Also habe ich einfach weitergemacht und geguckt, wie ich einen Platz in ihrem Leben finden kann. Ich habe das getan, was ich immer tue,

wenn Verlustängste übermächtig werden:

ich habe meine eigenen Bedürfnisse vollkommen ignoriert und mich an den Bedürfnissen von X orientiert. Die lauteten: mich so viel sehen wie möglich. Manchmal aber auch, wenn ich da bin: mich am besten sofort auflösen und verschwinden. Oder: nicht reden. Und: sie in ihrem Leben unterstützen. Sachen für sie erledigen.

Das hat mich häufig total befremdet, ich habe mich ausgenutzt gefühlt. Ich denke aber, es ist sicher auch eine Trauma-Folge. Weil sie sich eigentlich trotz des eng gesteckten Rahmens häufig von den Erfordernissen des Alltags überfordert fühlte. Das war eine ihrer Erwartungen an mich: dass ich sie unterstützen soll, besser mit ihrer Überforderung fertigzuwerden.

Ich habe erst eben beim Schreiben gemerkt, dass sich das für mich gefühlsmäßig ähnlich anfühlt, wie mit meiner Mutter.

Wie gesagt, mich hat das sehr befremdet, denn ich bin

mit meiner Art von Ichbezogenheit anders

herum gepolt: ich stehe auf dem Standpunkt, ich regele meine Sachen, du regelst deine. Ich habe deswegen einen ganz schön großen Groll aufgebaut. Irgendwann habe ich auch mal ausgesprochen, dass ich mich manchmal ausgenutzt fühle, aber das war fast, wie ins Leere zu reden. Ich hatte das Gefühl, das kommt gar nicht an.

Letzten Endes denke ich, dass es

zwei unterschiedliche Verhaltensweisen der gleichen Ichbezogenheit

sind.

Solange ich also versuchte, zusammen mit X X Leben zu leben, ging alles halbwegs gut für sie. Alles unter Kontrolle sozusagen.

Als ich aber zum ersten Mal

eine Forderung stellte,

war das eine echte Bedrohung. Ich hatte gefordert, dass ich nicht mehr die einzige sein konnte, die jede Woche die Reise auf sich nimmt, dass wir uns also mit dem Reisen abwechseln sollten.

Das brachte natürlich alles ins Wanken.

Nicht nur den Urlaub, den wir ein paar  Tage später antreten wollten, sondern auch die Beziehung an sich und auch das ganze Lebenskonstrukt von X. Mir war zu diesem Zeitpunkt nicht klar, dass dass für X den totalen Kontrollverlust bedeutete. Den sicheren Rahmen zu verlassen.

Erst sehr viel später stellte sich heraus, dass mit dem Kontrollverlust tiefe Ängste verbunden waren. Davon wusste ich erst aber einmal nichts. Für mich war ihre Reaktion auf meine Fordererung, nicht mehr mit mir in Urlaub fahren zu wollen, total befremdlich. Umso mehr, als dieser Urlaub ihr Bedürfnis gewesen war, und weniger meines. Sollte ich jetzt alleine fahren, wenn sie nicht mitkommt? (Sehr beängstigend, weil die Reise in ein sehr weit entferntes Land ging und ich mich überhaupt nicht mit den Gepflogenheiten eines Pauschalurlaubs auskannte) Oder sollte ich das Geld einfach abschreiben?

Eine Sache war aber doch gut daran: dass ich nämlich gemerkt habe, dass meine Verlustangst ihren Höhepunkt überschritten hat. Ich war einfach erschöpft, ich konnte nicht mehr.

Ich war bereit aufzugeben.

Wenn diese Liebe zu leben, bedeutete, mein eigenes Leben vollkommen aufzugeben, dann war der Preis einfach zu hoch …

Natürlich sind wir dann doch in Urlaub gefahren. In Wahrheit konnten wir es nicht einmal ertragen, auch nur einmal zwei Tage lang nicht miteiander zu sprechen. Es war sehr schön, aber natürlich nicht ungetrübt.

Während unserer täglichen Spaziergänge am Strand haben wir sehr viel miteinander gesprochen und uns wieder einander angenähert. Darum bin ich nicht, wie ich ursprünglich vorgehabt hatte, vom Flughafen aus direkt nach Hause gefahren, sondern noch einmal mit zu ihr gekommen, um erst am nächsten Tag zu mir zu fahren.

Am nächsten Morgen bekam ich sehr früh dann gleich wieder einen Rüffel, weil ich meine Teetasse an einem „falschen“ Ort abgestellt hatte. Da hat sich richtige Verzweifelung in mir breitgemacht. So eine Ahnung, dass sie dieses Verhalten nie aufgeben wird. Vielleicht auch

nie bereit sein wird,

mir wirklich einen Platz einzuräumen.

Ich bin nach Hause gefahren und habe gedacht: „Ich ertrage das nicht länger, ich mache Schluss.“

Diese Hänger am Ende machen mir irgendwie jetzt Spaß. Weil ich so auch eine Verpflichtung habe, dabei zu bleiben …

In der Zwischenzeit habe ich immer wieder mit mir gehadert, ob es richtig ist, so über meine Beziehung zu schreiben. Wenn ich wüsste, dass X meinen Blog liest, wäre es sicherlich anders. Aber sie hat sich eben nicht wirklich mehr mit meiner Arbeit beschäftigt, nachdem sie sich ein Urteil darüber gebildet hat. Ich kann also davon ausgehen, dass sie meinen Blog jetzt erst recht nicht lesen wird. Ihre Identität wird hier nicht enthüllt, und wird dadurch keinen Schaden nehmen.

Es ist auch nicht unbedingt schön und oft nicht erfreulich. Aber ich habe eben diesen sehr dringenden inneren Impuls, es zu tun. Und ich gehe davon aus, dass Ihnen das Lesen irgendwie weiterhelfen wird, so wie mir das Schreiben weiterhilft … Mir wurde auch von einer Leserin nahe gelegt, unbedingt weiterzumachen …

Wenn Sie mögen, schreiben Sie doch in die Kommentare, ob Sie diese Ichbezogenheit kennen von sich selbst oder anderen?

Von Herzen, Ihre

Monika Richrath

P.S. Am 20. September startet mein nächster Mini-Workshop „Besser umgehen mit Hochsensibilität“, der täglich um 19 Uhr auf Zoom stattfindet. Die Teilnahme ist kostenlos. In dem Workshop stelle ich Ihnen WINZIGe Impulse vor, die Sie dabei unterstützen, Lernerfahrungen, die Sie aufgrund eines Entwicklungstraumas gemacht haben durch KLOPFEN zu verändern.

Image by OpenClipart-Vectors from Pixabay

 

Über mich

Monika Richrath

Ich bin Monika Richrath, Mentorin und Coach für EFT (Klopfakupressur). Seit 2012 schreibe ich hier sehr PERSÖNLICH über die Themen, Hochsensibilität, Gesundheit, Psychologie, EFT und (Entwicklungs)Trauma.

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