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Hochsensibilität führt zu Stress im Strassenverkehr

Selbst geschrieben und selbst erdacht :-))

Verkehrsnervös

von Monika Richrath

2. September 2018

Vor einigen Jahren hat einmal ein SAT 1-Team versucht, einen 2-minütigen Beitrag für das Fernsehen über Hochsensibilität zu drehen, mit mir als Hauptdarstellerin. Zu diesem Zweck sollte ich mich mitten auf einen der belebtesten und befahrensten Plätz meiner Heimatstadt stellen und gestresst aussehen.

Natürlich ist es äußerst schwierig, innere Prozesse visuell darzustellen (ich weiß auch nicht mehr, ob ich eigentlich gestresst aussah), aber trotzdem ist dieser Tag als Meilenstein in meinem Gedächtnis haften geblieben. Es war nämlich der Tag, an dem mir klar wurde, dass ich besonders

verkehrsnervös

bin. Dies ist das Wort, das ich dafür für mich gefunden habe. Ich stand auf einer Verkehrsinsel, mitten auf der Straße, wo die Bahnen halten, links und rechts floß der Autoverkehr vorbei. Es war sehr, sehr laut. Ich sah mich um.

  • Ich sah den flügellahmen Vogel im Rinnstein, der drohte von vorbeifahrenden Autos überrollt zu werden
  • Ich sah den Fahrradfahrer, der fast angefahren worden wäre
  • Ich sah das Auto, das aufgrund eines riskanten Überholmanövers im falschen Augenblick nur knap einem Unfall entging.
  • Ich sah einen Betrunkenen, der schwankend an der Ampel stand und bereit schien, in jedem Augenblick einen fatalen Schritt auf die Fahrbahn zu machen.

Alles in Sekundenbruchteilen.

Aber so geht es mir,

immer, wenn ich in der Stadt unterwegs bin. Offenbar habe ich ein sehr gesteigertes Bewusstsein für die Empfindlichkeit des Systems – solange alle fahren und alles glatt läuft, ist es gut. Aber eine kleine Unachtsamkeit im Straßenverkehr von Seiten eines am System Beteiligten kann das ganze System in Sekundenbruchteile lahmlegen. Draußen zu sein ist demzufolge ziemlich stressig für mich. Der Stress wächst proportional zur Größe, bzw. Breite der Straße. Ich glaube durchaus, dass es auch irgendetwas zu tun hat mit dem für

trauma hochsensibilität verkehrviele hochsensiblen Menschen typischen Verhalten, 

die eigene Aufmerksamkeit mehr auf andere zu richten, als auf sich selbst zu achten. Aber es gibt noch andere Aspekte, die ebenfalls eine Rolle spielen.

Als Kind wuchs ich auf in einer der vielen Neubausiedlungen, die in den 60er Jahren überall gebaut wurden und wenige Jahre später entstand gleich neben dieser Siedlung die A565, ebenso wie 4 Auf- und Abfahrten zu dieser Autobahn. Sie alle kreuzten einen äußerst trostlosen Platz (der wegen der darüberhinwegführenden Autobahn A565 immer dunkel war), über den auch noch die Straßenbahn fuhr. An diesem Platz kam es häufig zu Unfällen. Ich erinnere mich an ein Kind, das den Versuch, den Platz zu überqueren nicht überlebte. Ich erinnere mich an eine verletzte Frau, deren Bild mich noch Wochen verfolgte.

Damals war das ja völlig anders als heute, wo ich

um meine Hochsensibilität und Empfindsamkeit weiß und das leben und verstehen kann.

Heute mache ich einen großen Bogen um Unfälle, wenn es möglich ist. Damals war das einfach nicht möglich. Es ist etwas passiert und alle sind hingerannt um zu gucken und niemandem wäre es eingefallen, die Kinder beiseite zu nehmen und sie am Gucken zu hindern … geschweige denn, dass es irgendeine Möglichkeit gegeben hätte, das ganze im Gespräch aufzuarbeiten (obwohl ich nicht glaube, dass so etwas möglich ist). Irgendwie haften diesen Erfahrungen jedoch etwas Traumatisches an – und das Schlimmste erzähle ich dir hier lieber gar nicht. Mittlerweile weiß ich ja, dass es sich hier tatsächlich Verkehrsunfall Trauma handelt, ganz egal, ob ich den Unfall tatsächlich beobachtet habe, in einen Unfall verwickelt war oder Unfallopfer gesehen habe – gerade die Bilder der Unfallopfer haben mich lange lange verfolgt. Es gibt sogar einige, die kann ich heute noch mühelos abrufen . Wichtig ist, dass ich den

Straßenverkehr als nicht sicher verinnerlicht

habe. Sicherheit wäre das letzte Wort, das mir zu Straßenverkehr einfiele (Das werde ich ganz bestimmt demnächst mal mit einem Coach beklopfen). Ich weiß nicht, ob es an diesen Erfahrungen lag oder an anderen Dingen, über die ich nichts weiß, jedenfalls entwickelte ich so eine krankhafte Furcht vor kranken und verletzten Menschen – was wiederum neuen Stress auslöste.

Einmal war ich auf einem Bürgersteig unterwegs, als zwei Autos auf der Straße daneben sehr laut ineinander krachten. Dann Stille. Schließlich öffnete sich die Tür des VWs und eine Frau, die im Gesicht blutete rief mir zu, ich solle die Polizei rufen. Und ich rief, ich wüsste nicht, wo hier ein Telefon ist (Das war, als es noch keine Handys gab) und lief einfach weg. Den Großteil meines Lebens habe ich mich für diese kleine Begebenheit in Grund und Boden geschämt. Mittlerweile habe ich jedoch ziemlich viel Mitgefühl für mein damaliges 13jähriges Selbst entwickelt. Natürlich wusste ich, dass es nicht in Ordnung war, einfach wegzulaufen, aber ich konnte gar nicht anders. Ich fühlte mich so überfordert mit dieser Situation, dass irgendein Teil von mir die Beine in die Hand genommen hat. Heute weiß ich: Ich hatte einen Schock. Heute weiß ich auch: Der Impuls weglaufen zu wollen, war ein guter  Impuls.

Vermutlich ist es nicht wirklich überraschend, dass ich den

Führerschein erst mit 40 gemacht

habe und die Jahre mit Fahrpraxis relativ kurz waren. Für mich ging hochsensibel sein nicht wirklich mit Autofahren zusammen. Obwohl mir das Autofahren Spaß machte, ist es mir doch nie gelungen, den Stress loszuwerden, den bestimmte Verkehrssituationen mit schöner Regelmäßigkeit in mir hervorriefen – heute habe ich den Stress beim Autofahren immer noch – als Beifahrerin. Zu den wirklich schlimmen Situationen, die ich als Teilnehmerin im Verkehr erlebt habe, gehört der Tag, als ich

eine Art von Panikattacke beim Fahren auf der Autobahn

erlitt und einfach nicht mehr wusste, was ich als nächstes tun sollte. Es war die reine Überforderung. Heute glaube ich stressbedingt. Nichtsdestotrotz habe ich das Autofahren relativ bald danach aufgegeben, ich fühlte mich einfach überfordert mit all den gleichzeitigen Handlungen, die Autofahren erfordert. Je älter ich werde, desto weniger vertrage ich überhaupt – aber ich glaube, das ist ganz normal. Jetzt bin ich schon gestresst, wenn ich mit dem Fahrrad gleichzeitig eine Steigung hinauffahren, links abbiegen und auch noch den Arm ausstrecken soll um mich verkehrskonform zu verhalten! Keine Ahnung, ob du als Leser:in hiermit etwas anfangen kannst. Dieser Artikel gärte schon seit Jahren in mir. Jetzt, wo ich am Ende angekommen bin, denke ich mir jedenfalls „Kein Wunder, dass ich diese Verkehrsnervosität habe!“ Es wäre eher komisch, wenn es anders wäre.

Ein kleines Update für das Jahr 2022: Mittlerweile habe ich mich ja ziemlich eingehend mit Trauma beschäftigt und lerne mit Trauma umzugehen. Und zwar mit dem ganzen Paket:

Hochsensibilität, belastende Kindheitserfahrungen, Entwicklungstrauma und Bindungstrauma.

Jetzt erst wird mir klar, dass auch diese traumatischen Erfahrungen im Vekehr damit zu tun haben, denn ich hatte nicht das Umfeld, diese Erfahrungen verarbeiten zu können. Dabei findet eine traumatische 2-Wege Befruchtung statt (oder sage ich mal, das triggert in beide Richtungen).

Im Zuge meiner Selbstbeobachtung ist mir aufgefallen, dass immer dann, wenn mich der Verkehr besonders nervös macht, ich mich in irgendeiner Form in einem traumatischen Zustand befinde, in dem irgendetwas in mir arbeitet … Seit ich das erkannt habe, komme ich etwas besser klar mit dem Verkehr.

Wie geht es dir in und mit dem Verkehr? Oder gibt es etwas anderes, das du zu fürchten gelernt hast aufgrund von belastenden Erfahrungen in der Kindheit? Wie immer freue ich mich über deine Kommentare.

Von Herzen,

Deine Monika Richrath 

Bildquelle: Pixabay

Image by Sabine from Pixabay 

Über mich

Monika Richrath

Ich bin Monika Richrath, Mentorin und Coach für EFT (Klopfakupressur). Seit 2012 schreibe ich hier sehr PERSÖNLICH über die Themen, Hochsensibilität, Gesundheit, Psychologie, EFT und (Entwicklungs)Trauma.

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7 Kommentare

  1. Constanze Lindner-Auhage

    Hallo Frau Richrath.
    Was für ein wunderbarer Artikel. Ich habe mich total wiedergefunden. Für mich ist die Teilnahme am Straßenverkehr auch nicht immer so entspannt. Erst einmal bekomme ich ja auch jede Kleinigkeit am Rande mit, zudem noch die Stimmung der anderen Verkehrsteilnehmer und wenn dann noch das Radio für meine Tochter laufen soll und sie mir ständig Fragen stellt, dann komme ich an die Grenzen meiner Konzentration und bin ziemlich erschöpft. ☺️
    Die vielen Verkehrsschilder plus Werbeschilder machen mich manchmal ganz gaga ‍♀️.
    Liebe Grüße
    Constanze

    Antworten
    • Vielen Dank, liebe Constanze. Beruhigend, dass ich nicht alleine bin 😉 Liebe Grüße, Monika Richrath

      Antworten
  2. Waltraud Radtke

    Hallo Frau Richrath,
    ich fahre nirgends hin wo ich mich nicht auskenne obwohl es heute Navis gibt. Wenn ich fremd bin fühle ich mich hilflos und überfordert. Ich ärgere mich zwar darüber weil ich auf dem Land wohne und es nicht so einfach ist Verkehrsanbindung zu haben. Leider konnte ich diese Angst oder wie man es nennen soll noch nicht ablegen.
    Liebe Grüße
    Waltraud

    Antworten
    • Vielen Dank, liebe Waltraud.Ja, sich nicht-sicher-fühlen ist ein großes Thema … Liebe Grüße, Monika

      Antworten
  3. Beate Felten-Leidel

    Liebe Monika,

    du sprichst mir so aus der Seele. Ich fahre gar nicht. Es ist einfach zu viel, was von allen Seiten auf mich einprasselt. Verkehrsnervös trifft genau den Punkt. Man sieht, hört, fühlt auch hier zu viel. Und man muss auch noch dauernd selbst etwas tun und Entscheidungen treffen – ich habe schon lange das Handtuch geworfen.

    Herzliche Grüße,
    Beate

    Antworten
    • Vielen Dank, liebe Beate. Aber ab und zu muss man doch mal vor die Tür gehen … Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ich es irgendwann schaffe, besser mit dem Straßenverkehr klarzukommen … Liebe Grüße, Monika

      Antworten
  4. Charlotte

    Hallo,

    ich denke, wenn deine früheren Erfahrungen mit dem Straßenverkehr so eine Auswirkung auf dich hatten, dann wird es schon in gewisser Weise traumatisch gewesen sein.

    Es gab eine Zeit, da traute ich mich nicht so recht Auto zu fahren. Ich hatte mal einen Unfall als Fahranfängerin. Seitdem fuhr ich nicht mehr, da ich mich für nicht geeignet dafür hielt.
    Jetzt geht es ohne Probleme. Da ich es Jahre später wieder mit dem Fahren versuchte.

    Als Jugendliche konnte ich nur noch bei Licht und abgeschlossener Tür schlafen. Da ich mit ansehen musste wie ein Familienmitglied das Leben meiner Mutter angriff. Und mit einem Spaten vor meiner Kinderzimmertür stand, während sich meine Mutter emotional aufgelöst in mein Zimmer flüchtete. In dieser Nacht musste ich mit 13 die Polizei rufen. Seitdem fühlte ich mich normal bei Nacht nicht mehr sicher.

    Antworten

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